„Lieber verreck`ich an Corona!“

Was für eine unverschämte, rücksichtslose und unbedachte Aussage? Sie mag einen im ersten Moment kurz schocken, mich persönlich jedoch schockt bald überhaupt nichts mehr!

Diese womöglich provokante Äußerung macht die bittere Verzweiflung, in der wir uns insgesamt befinden, sogar wunderbar deutlich. Es sind nicht wenige Menschen, die inzwischen den Coronatod dem nun seit Monaten andauernden „Psychoterror“ vorziehen würden, wie sie selbst sagen. Auch, wenn ich persönlich diese Ansicht so nicht teile, so kann ich sie zumindest nachvollziehen. Ich finde diese Aussage darüber hinaus traurig und sie macht mir Sorgen! Sorgen um alle Menschen, die unter den Einschränkungen im höchsten Maße leiden und keine Ausdauer mehr haben. Ein Punkt, an dem jeder von uns über kurz oder lang ankommen wird, vermute ich. Was ist mit all diesen Menschen? Lassen wir sie vor den nächsten Zug hüpfen? Mit Maske versteht sich, ist ja Pflicht am Bahnsteig. Entschuldigen Sie meinen Zynismus. Aber schaut sich hier denn niemand mehr um? Also mal abseits der Intensivstationen, Leichenhallen und hustenden oder asymptomatischen Menschen? Das Virus stellt eine Gefahr dar. Und neben diesem Virus tausend andere Dinge ebenfalls.

In diesen Tagen beschäftigt sich ein jeder zwangsläufig mit ethischen Fragen. Aktuell stellt sich uns als Eltern beispielsweise wieder einmal die Frage, ob wir unser jüngstes Kind ab kommender Woche in den Kindergarten bringen oder nicht. Es ist uns glücklicherweise möglich, die Betreuung selbst zu übernehmen. Bei beiden Kindern. Auch genieße ich als bekennende Gluckenmutter die selbstständige Betreuung und Erziehung meiner Kinder von Beginn an. Meistens jedenfalls. Was mich allerdings mit einer Entscheidung ringen lässt, ist die Tatsache, dass meine Kinder zunehmend unter der psychischen Belastung der Pandemie leiden. So fragt mich mein Kleiner fast täglich, wann denn der Kindergarten wieder auf macht. Offensichtlich kommen selbst ihm die Weihnachtsferien, als die ich ihm diese Zeit verkaufe, ziemlich lang vor. Er möchte gerne mit den anderen Kindern spielen! Es liefen sogar des öfteren schon Tränen deswegen. Er fühlt sich sehr wohl im Kindergarten. Kein Wunder, mussten wir sein einziges Hobby in der Musikschule im letzten Jahr ja auch auf Eis legen. Bis heute. Ebenso kam uns die Pandemie dummerweise ins gerade begonnene Mutter-Kind-Turnen dazwischen, sodass uns auch dieses verwehrt blieb. Er war zu dieser Zeit noch zu jung, als dass ich ihm hätte erklären können, warum wir dort, wo er vor lauter Freude quiekend herumgesprungen ist, einfach nicht mehr hingehen und stattdessen nur noch maskierten Menschen begegnen. In diesem Jahr ist er leider schon zu alt für das Mutter-Kind-Turnen, sodass wir es auch nicht mehr nachholen können. Eine Zeit, die uns niemand zurückgeben kann.

Gibt Schlimmeres, werden manche jetzt denken. Ja, schlimmer geht immer. Bei uns war dies und etliche andere sehr belastende Zustände rund um das Pandemie-Bekämpfungsgeschehen eben schlimm. Für andere anderes. Und jeden Menschen belasten auch unterschiedliche Dinge. Da steckt man nicht drin. Ja, ich habe auch Coronafälle im näheren Umfeld mitbekommen, auch gab es einen coronabedingten Todesfall, bei dem für die nächsten Angehörigen am schlimmsten war, dass sie sich erst verabschieden durften, als der geliebte Vater, Großvater und Ehemann bereits gegangen war. Ein ethisches und ebenfalls nicht wieder gut zu machendes Desaster.

Aber zurück zum Brief des Ministeriums betreffend der Kinderbetreuung oder der staatlichen moralischen Erpressung, wie ich es empfinde. Nun wird uns Eltern zwar in einem Nebensätzchen mitgeteilt, dass wir unser Kind in die Einrichtung bringen dürfen, zeitgleich wird diese kleine gesetzliche Erlaubnis (Dankeschön an dieser Stelle!) jedoch im wahrsten Sinne des Wortes fett überschattet vom mehrfach wiederholten Appell, bei der eigenverantwortlichen Entscheidung doch bitte solidarisch, fair und vernünftig zu handeln. Aha. Vielleicht habe ich aber eine andere Auffassung von Solidarität, Fairness und Vernunft als in diesem Schreiben als allgemeingültig vorausgesetzt wird. Solidarisch zum Beispiel fände ich, würde man endlich der Kindergesundheit gerecht werden. Dies wäre in meinen Augen fair, bedachte man die Gesundheit insgesamt als ausschließlich diese von Covid-Erkrankten oder Risikogruppen. Es wäre in meinen Augen vernünftig, auch die Krankheiten, Gefahren und Langzeitschäden außerhalb von Corona ins Auge zu fassen, bevor uns die Kollateralschäden bald derart um die Ohren fliegen, dass Corona dann das geringste Übel darstellen wird.

Ehrlich gesagt, ist es mir als eigenverantwortlichem Erwachsenen herzlich egal, was die Mehrheit der Gesellschaft über diesen meinen bösen „Egoismus“, meinen „Hass“ und meine „Hetzte“ denkt! Was mir nicht egal ist, ist der traurige Fakt, dass meine Kinder in dieser in meinen Augen kranken Gesellschaft aufwachsen, ich ihnen somit – möglichst diplomatisch – einen erträglichen Platz in dieser schaffen muss, solange wir uns eben hier befinden. Wir behalten unser Kind daher weiterhin zuhause, um nicht als unsolidarisches Arschloch zu gelten, von dessen Kindern es sich besser fernzuhalten gilt. Zu weit hergeholt? Alles schon erlebt in dieser von Angst bestimmten, hysterischen Zeit.

Na dann, harren wir solidarisch der Dinge, die da kommen. Die Kinder kommen schon klar in dieser hygienebesessenen, hypochondrischen Gesellschaft, in der Solidarität lediglich noch wie ein Geschwätz wirkt, das bloße Worthülse für die Angst vor dem eigenen Tod zu sein scheint.

(Bildnachweis: Pexels)


Bei meinen Texten zur Corona-Krise greife ich mitunter auch immer wieder das Thema Depression und Traurigkeit auf, da sich viele Menschen derzeit starken psychischen Belastungen ausgesetzt sehen. Bitte wenden Sie sich bei Bedarf unbedingt an die kostenlose Telefonseelsorge unter der Nummer

0800.1110111

oder

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