Berlin: Millionen Arschlöcher

Ein aufregender und spannender Tag geht zu Ende. Nach nun gut 12-stündiger Sichtung verschiedenen Live-, Bild-, Video-, Chat-, Nachrichten- und Blogmaterials bleibt über die heutige Demonstration in Deutschlands Hauptstadt festzuhalten, dass es eine vorwiegend friedliche Versammlung sehr sehr vieler unterschiedlicher Menschen war. Das Publikum schien im Gesamten aus unauffälligen Menschen verschiedener Couleur, Religionen, Überzeugungen und Ängsten zu bestehen. Ebenfalls zugegen waren auch radikale bis extremistisch eingestellte Menschen, die jedoch bei weitem nicht die Mehrheit bildeten. Kurzum: ein bunter Querschnitt unserer Gesellschaft. Trotz kleiner und großer Unterschiede insgesamt vereint und friedlich, was man von den diversen Kommentatoren im Netz hingegen nicht sagen kann. Hier wurde sich wieder fleißig verbal bekriegt, beleidigt, bloßgestellt, beschuldigt und um die einzig wahre Wahrheit gestritten. In der Netz-, wie auch in der wirklichen Debatte, insofern sie aufgrund Social Distancings noch stattfindet, fällt auf, dass gerade diejenigen, die sich aufgrund eines Virus um ihre Gesundheit sorgen, die Intolerantesten zu sein scheinen. Vor dem Hintergrund dieser Angst ebenso verständlich wie das Verlangen der anderen, für ihre Grundrechte, wovon eines immerhin allein für die Demo mehrfach gerichtlich eingefordert werden musste, auf die Straße zu gehen.

Der Punkt ist aber doch der: Wenn eine solche Masse an unterschiedlichen Menschen vereint gegen die Politik auf die Straße geht, so müssen die von ihr bezahlten Politiker weitaus mehr bieten, als diese pauschal zu diffamieren oder gar zu versuchen, geltendes Recht zu umgehen. Zeitgleich ist es Aufgabe der Politik, den Menschen in einer Krise die Angst zu nehmen, Mut zuzusprechen und nach adäquaten Lösungen zu suchen, die die Gesellschaft stärken anstatt zu spalten, dabei anzuhören anstatt zu zensieren und offenzulegen anstatt zu diktieren. Der heutige Tag war vom Durchschnitt der zahlenden Gesellschaft eine klare Kündigung an die Regierenden und deren Reaktionen rund um die Demo ein unvergleichliches Schauspiel, das die Welt gesehen hat. Trotz aller Bemühungen.

Der Innensenator Berlins, Andreas Geisel, hat gut erkannt, „dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung leider auch für Arschlöcher gilt“. Und wenn wir andere als solche bezeichnen, dürfen wir nicht vergessen, dass jeder von uns für mindestens einen da draußen selbst eines ist. Insofern war heute tatsächlich ein riesengroßer Haufen von Arschlöchern unterwegs. In Berlin, im Netz und überall. Wer ist nun also besser? Und geht es eigentlich darum? Besser wäre doch, einfach die beste Lösung für alle zu finden. Das geht nur gemeinsam. Mit dem gesamten Querschnitt der Gesellschaft. Ob Ihnen das schmeckt oder nicht.

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