Es gibt sehr wohl kulturelle Unterschiede zwischen Deutschen und Kroaten. Auf den ersten Blick nimmt man sie vielleicht nicht wahr, sie liegen aber auch im kleinen, feinen Detail.
Ob bei der Bank, der Post oder kleineren Geschäften, auch hier in Kroatien steht man aufgrund der geltenden Coronaregeln vor einem Gebäude an und wartet geduldig auf Einlass, die Masken griffbereit für den großen Auftritt. Wo aber liegt hier genau der Unterschied zum Anstehen vor deutschen Institutionen? In Deutschland verhält es sich ja bekanntermaßen selbst außerhalb Corona so, dass man ordnungsgemäß in Reih` und Glied steht, zu dieser besonderen Zeit den exakten Mindestabstand von eineinhalb Metern und die Reihenfolge natürlich peinlichst genau einhaltend. Klar. Und wehe, jemand drängelt sich vor, wahrt den Abstand nicht oder trägt seine Mund-Nasen-Bedeckung, wie wir das hässliche Accessoire so pädagogisch korrekt nennen, nicht richtig. Da schreit es gleich mindestens an einer Stelle aus der Reihe „Maske aufsetzen! Wir haben Corona.“ Dass WIR Corona haben, ist dabei mindestens ebenso irritierend wie die Tatsache, dass kaum mehr jemand selbst zu denken vermag. Auf einem Bein, wette ich, würden sie auch noch hüpfen. Wir haben ja Corona. Stellen Sie sich stattdessen einmal in Kroatien in eine Corona-Warteschlange. Auch hier nimmt man die Regeln an, wartet eben länger als gewöhnlich und setzt sich beim Einlass auch die Maske auf. Manche über Mund und Nase, manche nur über den Mund, manche gar nicht. Jetzt ist mir der Sinn unserer Bezeichnung dafür auch klar. Aber gut. Nun steht man eben ewig lange an. Was soll’s, denkt sich der gemeine Dalmatiner da und nutzt die Zeit statt zur Kontrolle seiner Mitmenschen lieber zum netten Plausch mit ihnen. Ob jung, ob alt, ob einander bekannt oder nicht, sitzend, stehend, angelehnt, rauchend oder nicht, mit oder ohne Maske. Die zunächst gebildete Reihe formt sich schnell zu einer – im wahrsten Sinne des Wortes – lustigen Runde, in der man sich über die Vorschriften sowohl amüsiert als sie auch ernst nimmt. Eben jeder, wie er meint. Angst hat dabei jedoch merklich niemand, dem anderen evtl. zehn Zentimeter näher zu kommen als empfohlen. Auch bezichtigt man niemanden des Coronaleugnens, der sich Kritik oder gar einen Witz über die Gesamtsituation erlaubt. Man vertreibt sich die Zeit miteinander, anstatt gegeneinander. Wer draußen Maske trägt, ist ebenso willkommen wie jemand, der ohne ein Geschäft betritt. Trauen Sie sich in Deutschland in einer Warteschlange doch beispielsweise mal augenrollend den Spruch über ein „Kasperletheater“ oder dergleichen. Nur zu. Probieren Sie es aus. Vielleicht überleben Sie es sogar. Spoiler: die Chancen stehen nicht ganz so gut wie bei Corona. Die Reihenfolge merken sich die Kroaten übrigens ganz unabhängig von einer Reihe oder einem Kreis. Sie sind ja schließlich nicht doof. Und wenn doch, macht das auch nix. Dann haben eben Ältere oder Frauen mit Kindern Vorrang. So what? In Deutschland rufen die neuen Kampfmaskenmamis derweil das Ordnungsamt zur Grundschule, damit die kurzen Unterhaltungen beim Bringen der verstörten Kinder auch brav unter Wahrung der gebotenen Abstände erfolgen. Eigentlich müßig, vergeht einem unter diesen Umständen doch die Lust zu jeglichem Austausch dort. Da macht Abstand wahren erst richtig Spaß. Und Sinn.
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