Und die Welt dreht sich weiter

Nicht umsonst schaue ich seit ein paar Jahren kein Fernsehen mehr. Zu unerträglich das stupide Programm, so unfassbar die hiesige Berichterstattung. Für meine Begriffe. Kaum hätte ich es jedoch für möglich gehalten, dass dieser ganze Irrsinn noch zu toppen ist. Inzwischen kann man sich selbst das Aufschlagen jeder Zeitung, jedes Magazins und am besten das Öffnen aller Social Media Plattformen schenken. Selbst Suchmaschinen traut man sich schon nicht mehr zu bemühen, wird einem womöglich selbst bei der Eingabe völlig themenfremder Suchbegriffe das Wort Corona in den Ergebnissen als erstes ausgespuckt. Ja, man kann es nicht mehr hören und nicht mehr lesen. Es macht einen krank. Sollen wir uns alle in Müllsacke hüllen und das Atmen aufhören, um uns zu schützen? Wäre bis auf das Plastik immerhin klimafreundlich. Greta würde das freuen.

Apropos Greta: Was macht sie eigentlich derzeit? Man liest und hört nichts mehr von ihr. Dabei existiert sie wahrscheinlich noch. Ebenso wie andere Personen des öffentlichen Lebens, sowie aber auch die Dame von nebenan, die weiterhin von ihrem Partner geschlagen wird. Oder der Obdachlose, der noch immer durch die Straßen zieht und um Kleingeld bittet. Das Rentnerpaar, das seinen Lebensabend mit dem Sammeln von Pfandflaschen verbringt. Die Kinder, die weiterhin toben, lachen, spielen und lustige Geschichten hören wollen. Der Depressive, der sich nun einsamer fühlt als je zuvor. Der Sportler, der die aktuelle Zeit vielleicht für ein neues Trainingsprogramm nutzt. Der Geschäftsmann, der mit Kreativität seine Existenz zu retten versucht.

Die Schulen, deren maroder Zustand aufgrund neu geltender Hygienevorschriften nun hoffentlich endlich mal behoben wird. Die Fauna, die sich weltweit gerade im ungestörten Paradies wähnt. Das Homeoffice, das so schlecht und unvereinbar doch gar nicht ist. Die Globalisierung, die eben nicht unabdingbar ist. Das Familienleben, das sonst so sehr zu kurz kommt, dass sich die meisten nun leider mehr gestresst fühlen als dass sie es einfach mal genießen. Die gegenseitige Fürsorge und Rücksichtnahme, die wir dieser Tage erleben. Ebenso wie Feindseligkeiten ob der Angst oder aus Gerechtigkeitsansprüchen heraus.

Ich verstehe, wir erleben gerade eine ernstzunehmende Pandemie eines neuen, unbekannten Virus, aufgrund dessen rasanter Ausbreitung einige Vorsichtsmaßnahmen vonnöten sind. Doch, das kann ich selbst als medizinischer Laie durchaus nachvollziehen und halte mich auch gerne an die Regeln zur Schonung von Ressourcen und nicht zuletzt zur Rettung der Schwächsten unserer Gesellschaft. Ebenfalls verstehe ich die grassierenden Ängste der Menschen. Vor der Krankheit, vor den wirtschaftlichen Folgen, vor der Zukunft. Überrascht war ich über die für mein Empfinden sehr frühen Rufe nach einer Lockerung der Maßnahmen, hatten diese doch gerade erst begonnen. Ich hätte den Menschen etwas mehr Durchhaltevermögen zugetraut. Nun mag ich leicht Reden haben, führe ich ohnehin nach so mancher Vorstellung ein recht spartanisches Leben und komme bisweilen mit den aktuellen Umständen gut zurecht. Meine Sorgen liegen vorrangig bei meinen Kindern und meiner Familie. Angst macht mir zudem, mit welcher Arroganz und Meinungsdiktatur inzwischen wieder mal die Debattenkultur vonstatten geht. Dagegen war die Flüchtlingskrise ja geradezu ein Fest. Rhetorisch gesehen. Nun schien dieser fürchterliche Kampf zwischen Links und Rechts vorerst endlich auf Eis, da dreschen nun alle aufeinander ein. Die Besserwisser, die Mitläufer, die Verschwörungstheoretiker. Aber wer ist überhaupt ein solcher? Darf man nicht alles hinterfragen? Auch oder gerade solche Institutionen, die uns in dieser schlimmen Krise die Informationen liefern und Verhaltensweisen auferlegen? Ich war stets der Meinung, in unserem ach so freien Europa darf ein jeder seine Bedenken und Ansichten äußern, ohne sich dafür einer virtuellen Steinigung unterziehen zu müssen. Weit gefehlt. Selbst Fachleute oder Promis, die uns ihre Gedanken wissen lassen, bekommen lediglich die Totschlagargumente „Verschwörungstheoretiker“, „AfD-nah“ oder „Corona-Leugner“ an den Kopf geworfen. Das ist schwach. Und es zieht nicht mehr. Wenn jemand der Meinung ist, dass Fake-News verbreitet werden, so möge er diese doch einfach sachlich und fachlich widerlegen, anstatt nach einer „Fake-News-Polizei“ zu schreien. Den Tatbestand von „Hass und Hetze“ mögen bitte ebenfalls entsprechende Experten wie Juristen beurteilen und niemand, der sich lediglich in seiner Eitelkeit oder in seinem starren Weltbild verletzt fühlt. Können wir nicht mehr miteinander streiten und diskutieren ohne uns gegenseitig an den Pranger zu stellen? Gerade jetzt sollte Zusammenhalt an erster Stelle stehen. Das heißt auch, unaufgeregt hinzunehmen, wenn etwa ein AfD’ler den Fakt erwähnt, der Himmel sei blau oder die BILD ebenso wie zig andere Quellen korrekt titelt, dass wir gerade in einer Pandemie stecken. Schreien des Schreiens wegen ist einfach erbärmlich und bringt uns nicht weiter. Als wäre die Zombie-Apokalypse ausgebrochen. Ich warte sehnlichst darauf, dass mich jemand aus diesem Alptraum reißt!

Die Tage stieß ich bei meinem täglichen Freigang im Wald auf eine etwa 15-köpfige Gruppe junger Erwachsener, die gerade genüsslich einen Joint herumreichte. Ich weiß gar nicht, was mich dabei am meisten irritierte: dass sie in Kauf nahmen, sich selbst und andere zu gefährden, dass sie am helllichten Tag mit der weiteren Reduzierung ihrer letzten Gehirnzellen zu prahlen versuchten oder die Tatsache, dass sie sich offensichtlich nicht an Regeln halten können, während ich unseren Jüngsten der guten Ordnung halber von allen Kindern wegzog, zu denen er freudig rannte. Ich weiß nicht, wie lange ich unseren Knirps insofern bei Laune halten kann, als dass ich seine sichtbare Frustration über diese Verbote irgendwie anderweitig kompensieren kann. Es bricht einer Mutter das Herz, die eigenen Kinder in ihrem natürlichen Drang nach Lebensfreude derart bremsen zu müssen! Ebenso wie der Anblick verängstigter alter Menschen beim Einkauf, das Wissen um diejenigen, die sich nun alleine fühlen, die Hilflosigkeit vieler Menschen, das panische Wegspringen mancher beim Vorbeigehen, als wäre man mit der Pest infiziert und nicht zuletzt das Wahrnehmen der Sorgen und Ängste seiner Liebsten, die man gerade nur digital aufzumuntern versuchen kann. Für uns Menschen ist die Welt gerade eine triste oder wie unser Großer uns gestern Abend offenbarte: „Ich habe Angst, dass bald alles still steht und Deutschland wie eine Geisterstadt ist, wo nur noch diese Dinger rumfliegen.“

Wir haben über vieles zu sprechen. Nicht nur über Corona.