Lassen wir unsere Kinder rebellieren – aber richtig!

Der Fokus liegt heute auf der jungen Generation. Es wird gebloggt, gevloggt, demonstriert, gestreikt und manchmal auch gehüpft. Politik und Religion ganz en vogue.

„Alhamdulillah“, „verblendet“ und „Fck Nzs“ bilden den heutigen Jugendslang. Seinen Kopf ziert man wahlweise mit Dreads, Undercut, an einer Seite rasiert oder mit aufwändig zurechtdrapierten Hijabs à la adretter Sissi-Hochsteckfrisur (wie islamisch). Selbst sowas wie völkische Zöpfe soll es ja geben. Die Augenbrauen sind tätowiert oder hässliche Tunnel weiten die Ohrläppchen zu einem schlabberigen Hautring. Das traurige an derlei äußerlichen Verunstaltungen jedoch ist, dass sie nicht im Rahmen einer jugendlichen Rebellion erfolgen. Vielmehr bilden sie das Spiegelbild der heutigen Eltern. Ein alternativ- und ideenlos scheinendes Hinterhertrotten, auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, seiner selbst. Dass die Kinder heutzutage nicht mehr imstande sind, ihre eigenen Schnapsideen zu entwickeln, liegt wahrscheinlich daran, dass ihre Eltern sich auf einem Niveau mit ihnen befinden. Es fehlt die Grundlage für eine Auflehnung, sodass sie sich der Einfachheit halber eben anschließen. So leicht war es noch nie, für voll genommen zu werden, verhält man sich schließlich schon so „erwachsen“. Wie die Eltern eben. Vorbei die Zeiten, in denen man sich über die respektlosen, bockigen und sturen Blagen beschwerte, die einfach nicht hören und stets ihren eigenen Kopf durchsetzen wollten; also einfach stinknormal auf dem Weg einer ganz individuellen Persönlichkeitsentwicklung waren. Heute scheint dies anders. Eine Lobhudelei auf die heutige Jugend, die einen erstaunt aufhorchen lässt. Vorbildlich anscheinend, unsere Kinder. Ob das diverse Vlogger der sogenannten Neuen Rechten sind, zynisch betitelte Klimajünger oder etwa die hippen Trendmuslimas. Die Kinder gehen in Augen ihrer jeweils ideologisierten Mentoren mit gutem Beispiel voran. Da wird stets zuerst geguckt, was die Jugend zu den hysterisch geführten Debatten unserer Zeit zu sagen hat, bzw. was sie brav nachquatscht und entsprechend ihres Leitmotivs in Szene setzt. Experten sowie das Blättern in Zeitungen und Fachliteratur waren gestern, heute geben Youtube, Twitter & Co. den (guten) Ton an. Pech für die Älteren. So müssen die Jungen herhalten. Eine Unterstützung versteht sich somit ganz von allein.

Wenn Eltern plötzlich alles toll finden, was ihre heranwachsenden Sprösslinge im Internet so treiben, Politiker und Lehrer zum Schuleschwänzen animieren und Medienmacher Kinder für politische Satire einsetzen, können wir davon ausgehen, dass wahrlich die Kinder die einzigen sind, die noch bei Verstand sind. Wenn Kinder heute die elterliche Legitimation erhalten, Worte wie „Umweltsau“ zu trällern, sie den Floh ins Ohr gesetzt kriegen, verhüllt seien sie etwas besseres oder sie von den Erwachsenen größtmögliche Unterstützung für ihr Influencer-Tun erhalten, obwohl sie sich dadurch bereits etliches verbaut haben, verwundert die Begeisterung der Kinder dafür wenig. Welch durchtriebenes Spiel. Und wo jugendliche Aktivitäten auf soviel Zuspruch erwachsener Menschen stoßen oder gar von jenen initiiert werden, kann von Rebellion nicht die Rede sein. Ließen wir endlich wieder Vernunft in unseren Debatten walten und würden wieder erwachsen, würde dies unseren Kindern den Weg für eine gesunde Entwicklung samt eigener Rebellion ebnen, abseits von starren Weltbildern dieser Zeit. Auch unterschiedliche Ansichten können einen gemeinsam lachen, tanzen und das Leben leben lassen. Jugendliche Rebellion, insofern sie von den Kindern selbst ausgeht, schließt Respekt vor dem Alter nicht aus. Die Animation zu Beschimpfungen und Verachtung gegen Andersdenkende oder gar die Älteren hingegen schon.

Die Eltern sollen geehrt sein, die Alten respektiert, gewiss. Aber bitte! Bitte lassen wir die Kinder wieder richtig rebellieren! Das funktioniert nicht, indem sie exakt das machen, was wir toll finden. Es ist nicht cool, wenn die Erwachsenen es auch cool finden. Es braucht eigene Fragen, eigene Themen. Wenn Eltern ständig „abfeiern“, was ihre kleinen Rotznasen veranstalten, stimmt doch etwas gewaltig nicht.

Unsere Kinder sollen nicht dem durch uns verursachten Müllhaufen aus gesellschaftlichem Gift hinterherräumen müssen. Mögen sie sich endlich abwenden von unserer hysterischen Debattenkultur und sich auf eine schöne, unbeschwerte Jugend konzentrieren. Die Jugendsprache von heute kann kein „Wallah“, „Ehrenmann“, „linksgrünversifft“ oder „Nazi“ sein, ist es doch bereits der aktuelle Jargon der Erwachsenen. Voll uncool. Wo sind die eigens – nicht ideologiegeprägten – kreierten Wörter, ein Sich-Ausprobieren, die Selbstfindung? Das Leben in jungen Jahren hat soviel mehr zu bieten als Politik und Religion. In den Filterblasen der Erwachsenen erfahren unsere Kinder das aber nicht. Sollen die Erwachsenen sich selbst ihren vermeintlichen Gegnern stellen, um das gesellschaftliche Chaos wieder ins Lot zu bringen. Den Mist sollen unsere Kinder nicht ausbaden müssen. Sie sollen Kinder sein, Spaß haben, sich verrückt – aber doch nicht wie Mama und Papa – kleiden, unpolitische Konzerte allein des Tanzens wegen besuchen, sich verlieben… ob vegan, religiös, klimaneutral oder kritisch. Wen sie mögen und warum, sollen sie selbst herausfinden dürfen.

Nein, ich fürchte unsere Jugend nicht. Sie tut mir leid, ob ihres Missbrauchs, ihrer Vorführung und ihrer Kindheitsberaubung. Die Erwachsenen sind die Angsteinflößenden, scheint ihnen inzwischen doch jedes Mittel recht, die Kinder nicht selbst denken und hinterfragen zu lassen. Der sichere Applaus von einer einzigen Seite währt nicht lange, Persönlichkeit hingegen schon. Und in jene greifen gewiss nicht bloß Kinderchöre oder Programme des Öffentlich-Rechtlichen ein, die Indoktrination beginnt bereits in jedem erdenklichen Elternhaus, links, rechts und in religiösen. Natürlich sollen zuhause auch weiterhin die Basics ordentlichen Verhaltens, einschließlich Respekt, Anstand, Toleranz und Offenheit nahegebracht und die Kinder vor Gefahren geschützt und in ihrem Tun, insofern es deren innerliches Bedürfnis ist, gestärkt werden. Ihren eigenen Weg aber sollen die Kinder doch selbst finden dürfen. Dies riefe mehr elterlichen Stolz hervor als ein kleines marionettenartiges Abbild der Erwachsenen. Seien Sie Wegbegleiter statt Manipulant. Beantworten Sie Fragen und lassen auch unangenehme zu. Sollen die Kinder ernsthaft dafür geradestehen, was Sie nicht hinbekommen? How dare you?

(Bildnachweis: Pexels)