Irgendwie scheint die verwöhnte Spezies Mensch mit nichts richtig zufrieden zu sein. Egal, ob daheim oder im Urlaub, immer muss es mehr sein, was anderes, was besseres und noch irgendwas. Für unsere Kinder lassen wir das erst recht gelten. Ist das nötig?
Ein Januartag im schönen Rheinland. Draußen schneit es den ganzen Tag schon dicke Flocken. Eigentlich ein Anlass zur Freude, stellt diese Szenerie für den gemeinen Rheinländer doch einen recht seltenen Anblick dar. Während man sich in der Politik noch uneins zu sein scheint, ob der Schneefall im Januar nun Folge des Klimawandels oder doch einfach nur Begleiterscheinung eines normalen Winters ist, betrachte ich vom Fenster aus die achtlos über den frisch gefallenen Schnee brausenden Autos, die den ästhetischen Tanz der herabgleitenden Flocken unterbrechen. Die Nase fließt und meine Gedanken schweifen ab. Heimlich ertappe ich mich dabei, anstelle der auf der Straße liegenden braunen Matschepampe ein warmes, von Zikaden geborgenes Urlaubsidyll herbeizusehnen. Die nasskalte Pampe wird zu Strand, die brummenden Motoren zu Zirpen, dicke Wolken weichen der sattgelben, wärmenden Sonne. Wohliges Grinsen macht sich breit.
Die Tourismusbranche frohlockt derweil ob dieses scheinbar kollektiv aufkommenden Fernwehs, hält sie doch just passend dazu verführerische Reiseangebote für die Sommerzeit bereit. Alles, was das Frühbucherherz begehrt. Da sind Flüge, Hotels, Mietwagen und Clubs, Yachten, Camping oder Kreuzfahrtschiffe. Eine umfangreiche Auswahl nach jeglichem Belieben. Der eine wünscht, am Strand zu liegen, der andere will Aktivurlaub. Ein weiterer bevorzugt Luxusbetten, ein Camper braucht das alles nicht. Kreuzfahrt, Wandern, Sightseeing, Chillen oder Kultur.
So verschieden die Menschen, so unterschiedlich deren Ansprüche. Eins jedoch eint sie alle… sofern es sich um Eltern handelt. Es ist die Frage, um die einzig und allein sich nicht bloß beim Thema Urlaub alles zu drehen scheint: Was machen wir mit den Kindern? Als sei eine Urlaubsreise an sich nicht schon Abenteuer genug, diskutiert man nahezu panisch und ratlos sowohl in diversen Internetforen und Facebookgruppen, als auch in persönlichen Gesprächen, welche Highlights im Urlaub für die Kinder auf gar keinen Fall fehlen dürfen. Die Kinder müssen ja schließlich beschäftigt sein. So verschieden die Urlaubsländer, eins eint sie alle: Da gibt es Themenparks, Hüpfburgen, Rutschen, Bootstouren, Museen, Animation, Spielplätze, Tierparks und Aquarien, und ja, auch Aquaparks – am MEER! Gar Kids-Clubs, in denen man seine Kinder für einen längeren Zeitraum abgeben und unterhalten lassen kann, warten auf den stressgeplagten Touristen. Ganz wie zuhause. Möglichkeiten und Programm an gefühlt jeder Ecke, Kinder betreut.
Selbst, wenn es all diese Urlaubsattraktionen nicht gäbe, an was würde es den Kindern ernsthaft fehlen? Eine Reise, ganz gleich, wie sie angetreten wird, ob mit dem Flieger, dem Auto oder dem Zug… ist das nicht aufregend genug? Das Meer sehen, es spüren und riechen, Muscheln sammeln, Steine, Tiere und Pflanzen auf Wanderungen entdecken, bestaunen, begreifen, neue Speisen schmecken, gemeinsam kochen, im Zelt oder unter freiem Sternenhimmel schlafen, eine Nachtwanderung mit Taschenlampe unternehmen, fremde Städte, Sprachen und Kulturen erleben… selbst für den aufmerksamen Erwachsenen ist dies doch eine wahre Erlebnisexplosion, sollte man meinen. Ein Kartenspiel, Block und Stifte bieten ausreichend Potenzial für ausgiebige, lustige und ruhige Spiele zwischendurch. Geschichten erzählen, Ratespiele erfinden, miteinander über Gott und die Welt philosophieren. Eine gemeinsame Kuschel-Siesta mit der gesamten Familie wirkt wahre Wunder bei aufkommender Müdigkeit. Auch, wenn die Kleinen dann am Abend nochmal so richtig aufdrehen, irgendwann kippen sie um, gewiss. So sollte auch etwas Zweisamkeit nicht zu kurz kommen.
Ganz gleich, welche Art von Urlaub man auch bevorzugt, man sollte sich nicht genötigt fühlen, seinen Kindern das Programm schlechthin bieten zu müssen. Denn Urlaub ist Programm und Kinder sehen die Welt zum Glück noch mit anderen Augen. Da ist vermeintlich weniger oft mehr.
Was macht man also mit den Kindern? Na Urlaub. Und zwar so, wie es einen gelüstet, ob geplant oder spontan, der Fantasie freien Lauf, sich einfach treiben lassend. Dies dürfte einfacher und entspannter sein als die verzweifelte Suche nach pausenloser Unterhaltung.
Und für daheim empfiehlt es sich, ab und an aus seinen Tagträumen zu erwachen, die Augen zu öffnen und sich an dem zu erfreuen, was man vor sich hat. Also, warm anziehen, Kinder schnappen und eines der zahlreichen Plätzchen aufsuchen, an denen das himmlische Weiß noch nicht zu braunem Matsch verkommen ist. Nach dem aufregenden Abenteuer muss man nur zu greifen wissen, liegt es doch meistens gleich vor einem.

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